Mein Herz

Steve Husistein

Mein Herz

Es wird Zeit mich daran zu erinnern, wie es sich anfühlt, wieder lebendig zu sein.
Zu spüren, dass man im Flow ist, während andere Menschen das Gefühl haben du seist vom Pech verfolgt, ist gerade sehr überwältigend.
Ich habe das Bedürfnis meine Erfahrung aufzuschreiben und du sollst daran teilhaben dürfen, wenn du das magst.

Lass mich ein bisschen ausholen… Im Frühling 2020 merkte ich, dass mit meinem Herz etwas nicht in Ordnung ist und suchte deshalb meinen Hausarzt auf. Das war während dem ersten Lockdown. In dieser Zeit ging bei mir und in meiner Umgebung ziemlich viel drunter und drüber. So kam es, dass die vom Arzt gestellte Diagnose Panikattacken gar nicht mal so weit hergeholt waren. Ich akzeptierte diese einfach und lebte weiter. Trailrunnings wurden zu Wanderungen, Wanderungen wurden zu Spaziergängen. Meine Dachwohnung im obersten Stock ohne Lift liess mich regelrecht ausser Atem bringen und die Treppe wurde zum Teil eine abnormale Tortour für mich. Irgendwann bemerkte ich, dass wenn sich mein Herz meldete, ich mich irgendwo aufstützen musste, wenn ich nicht zusammenbrechen wollte. Heisst, ich hatte immer mehr gegen kurze Ohnmachtsanfälle zu kämpfen. So kam es, dass ich im Sommer zum 2. Mal beim Arzt anklopfte und meine Bedenken gegenüber diesen Panikattacken anbrachte. Irgendwas stimmte mit meinem Herz nicht! Nach weiteren Abklärungen blieb ich ratlos. Mein Herz sei in Ordnung…
Im Herbst war mir dann klar, dass nicht irgendwelche Panikattacken mein Leben im Griff hatten, sondern mein Herz mich regelrecht auf Trab hielt oder eben komplett ausnoggte. Ich wurde immer müder. Nach wenigen Kunden war ich fix und fertig und an ein eigenes Training zu denken viel mir immer schwerer. Als ich dann nach einer Bergtour zu Hause angekommen zusammenbrach und länger liegen blieb, fasste ich den Entscheid, aus meinem Hausärztemodell auszubrechen und mir am richtigen Ort Hilfe zu suchen. So kam ich zum ersten Spezialisten, der sich mein Herz genau unter die Lupe nahm. Doch genau in dieser Phase begann sich mein Herz wieder ein bisschen zu erholen. Rhythmusstörungen waren vorhanden, doch schien da noch nicht Not am Mann zu sein. Nach einem 24h EKG wurde klar, dass ich mich einer OP unterziehen sollte und so wurde ich ins Kantonsspital in Luzern an einen Rhythmologen überwiesen. Nein, nein, keinen Rhythmiker, das wäre mir auch lieber gewesen 😉
Gestartet haben diese Besuche wieder mal mit einem 24h EKG. Nur ging dieses Mal schon die Post ab beim Installieren vom Gerät. Die gute Frau, die mir das Gerät installierte fiel aus allen Wolken, als sie sah, wie mein Herz gerade nach Hilfe schrie. Als ich ihr dann mitteilte, dass ich das nun schon seit einem Jahr so mit mir rumtrage, wusste sie nicht mehr wie sie reagieren sollte… Also ging es da ab nach Hause, schön verkabelt und immer das kleine Gerätchen im Hosensack. Es war die Hölle los. Immer wieder Störungen, die mich regelrecht in die Knie zwangen. Es schien, als wäre es der richtige Zeitpunkt um zu reagieren.
Am 22. März, an meinem Geburtstag sah ich dann das erste Mal den Rhythmologen, der sich mein 24h EKG genau angeschaut hat. Zu diesem Zeitpunkt ging es dann sehr schnell. Die Situation schien für mein Herz nicht gerade entpannt.  Mein Herz Eingriff wurde also gleich 2 Tage später angesagt und gefixt. Es sollte schnell gehen, da meine Rhythmusstörungen, welche mich nun seit einem Jahr begleiten und enorm in allem einschränken, immer schlimmer wurden.
Für mich gab das irgendwie einen Hoffnungsschimmer und die Bedeutung von einem Neuanfang.
Aber nun geht’s ja erst richtig los…
Am Mittwoch dann der grosse Tag. Entspannt kam ich im Spital an und wartete geduldig auf die OP. Vorbereitet und angeschlossen lag ich da also in meinem Bett, hatte genügend Zeit für Selbsthypnosen und Meditationen, bis ich dann in den OP Saal geschoben wurde.

Alles wurde vorbereitet bis der Arzt dann schlussendlich ratlos vor mir stand und den Kopf schüttelte. Die Frage, ob ich denn meine Rhythmusstörungen willentlich ausschalten könne, machte mich ein bisschen unsicher. So könne er nicht operieren! Zu diesem Zeitpunkt hätte man eine Filmkamera einschalten sollen, oder besser noch, live berichten sollen. Es wurde alles versucht um meine Rhythmusstörungen auszulösen. Die Soundanlage im OP Saal gab alles her, von Rammstein bis Britney Spears. Als nicht mal diese half, knallten sie mir venös die ersten Bomben rein. So schnell bin ich wohl selten schon ausser Atem gekommen. Auch das half nichts. Auch mit ruhiger Musik und wiederum Selbsthypnose ging gar nichts mehr. Ich war komplett runtergefahren. So wurde die Übung vorerst abgebrochen und ich sollte im Aufwachraum mit Koffein versuchen, dahin zu kommen, wo sie mich im OP Saal gebrauchen. Als der eine Pfleger dann mit einem Snooze für mich ankam, liess der Arzt die Übung abbrechen und schickte mich wieder nach Hause… Mit der Aufforderung, mich sofort zu melden wenn die Störungen wieder auftreten sollten wurde ich verabschiedet.
Ich kann gerade nicht beschreiben, wie ich mich zu diesem Zeitpunkt gefühlt habe. An der Sonne spazierte ich gemütlich nach Hause.

Schon auf dem Nachhauseweg kamen die ersten Nachrichten von Menschen, die wissen wollten, wie alles verlief. U.a. bekam ich auch ein Bild von einem Mondkalender, der sagt, dass der heutige Tag nicht gut sei für Herz OP’s. Irgendwie tat mir dieser Mondkalender gerade gut. Wenn ich normalerweise auch nicht viel Wert auf einen Solchen lege.

Der Donnerstag begann schon vielversprechend. Ich fühlte mich extrem klar auch im Kopf. Erholt und ohne Rhythmusstörungen. Einerseits beruhigte mich das und ich war froh darüber. Anderer Seits wusste ich, dass ich nicht um die OP rumkommen werde und die Störungen wiederkommen werden. Du denkst dir jetzt sicherlich, dass gerade ich doch wissen sollte, was meine Gedanken auslösen können. Das ist richtig und das war mir auch bewusst. Wenn du aber ein Jahr lang ein solches auf und ab hast und das kein Zustand mehr ist, dann musst du einfach realistisch bleiben.
Spasses halber fragte ich dann am Donnerstag nochmals wegen der Aktualisierung vom besagten Mondkalender nach. Vielleicht, begann ich auch daran zu glauben. Es sollte einfach nicht sein am Mittwoch. An diesem besagten Donnerstag war eine Herz OP immer noch nicht zu empfehlen. Aus diesem Grund begannen sich meine Rhythmusstörungen wohl erst gegen Abend wieder zu melden.

Unsicher rief ich dann den Arzt an, welcher am Freitag (sollten die Störungen noch da sein) sofort einen 2. OP Versuch starten wollte. Die Nacht auf Freitag verlief gut und am Morgen wachte ich ohne Störungen auf. Das kann ja wohl nicht sein, dachte ich mir und wurde wieder unsicher.
Nüchtern sollte ich den Arzt um 08:00 anrufen. Ich hatte also noch ein paar Minuten und diese nutzte ich. So jagte ich mich selber ein paar Mal das Treppenhaus hoch und runter und da waren sie wieder… Wie noch nie zuvor bretterten sie rein. Von Minute zu Minute wurde es schlimmer. Unterdessen war der Arzt vorgewarnt und einer notfallmässigen OP schien nichts mehr im Wege zu stehen. Fragt nicht, wie ich bis zum OP Tisch gekommen bin. Ich weiss es auch nicht mehr so genau. 3 Meter gehen, zusammen brechen, aufstehen, 3 Meter gehen, zusammenbrechen…
Ich wurde nicht mehr ausgezogen, sondern direkt in den OP geschoben, wo der Arzt schon wartete. Keine Sekunde sollte vergehen und alles wurde gemacht, dass ich nicht wieder wie am Mittwoch runterfahren kann und ich die Rhythmusstörungen selber stoppen werde.
Was nun kommt ist nicht Jugend frei und auch nicht für schwache Nerven gedacht. So will ich es dir ersparen. Du kannst dir ja selber vorstellen, wie eine solche OP abläuft wenn du keine Schmerzmittel und Narkose bekommst. Es könnte ja sein, dass du wieder runterfährst und wieder nach Hause geschickt werden musst… NEIN, auch eine Selbsthypnose lag da nicht drin. Klar im Kopf und alles, wirklich alles wahrnehmend und spürend ging es los. Lange hielt ich es durch und dann war es doch plötzlich genug. Ich konnte einfach nicht mehr, dachte regelrecht, jetzt ist es vorbei. Das haben vermtl. alle im OP Saal mitbekommen und so wurde ich dann schöööönnnnn vollgepumpt und ich bekam endlich das OK für meine Selbsthypnose. Ich war soooo dankbar dafür. Unglaublich was in diesem Moment alles in mir abging. Mir kommen gerade die Tränen und ich spüre, wie deftig dieser Moment für mich war. Wie alle Anspannung einfach gehen durfte. Ich loslassen und voll in die Entspannung reindurfte. Das zu schreiben ist derart berührend für mich und zeigt mir, dass es absolut wichtig war für mich, diese Zeilen zu schreiben um so das Ganze verarbeiten zu können. Nun ist auch der Moment da, um all denjenigen von (wieder) GANZEM Herzen zu danken, die mich über diese ganze Zeit und vor allem während der OP mental unterstützten. Es ging regelrecht die Post ab und ohne zu wissen, dass ich im Spital bin, schienen ganz viele zu spüren, dass ich sie gerade brauche… DANKE, DANKE, DANKE

 

Vor noch nicht langer Zeit habe ich vom HIER & JETZT geschrieben. Nun sitze ich da und schreibe… Weiss ganz genau, weshalb ich davon geschrieben habe. Am Morgen kam ich als Notfall in’s Spital. Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie beschissen ich mich gefühlt habe. Immer wieder die Kontrolle abgegeben habe… Und nun, 2 Tage später sitze ich da, vor meinem Text und mir geht es wunderbar. Der Frühling kommt und bald komm ich raus. Beginne Step by Step mit meinem Aufbau, auf den ich mich tierisch freue. Das Einzige was ich spüre ist meine Leiste, da wo der Arzt reinging. Dieses Gefühl wird vorbeigehen…

Herzlichen Dank fürs Begleiten durch diese Zeilen und DANKE durfte ich so verarbeiten, was ich erlebt habe. Es hätte alles viel schlimmer kommen können und alles hat seinen Grund. Diesen Grund habe ich schon letzten Frühling gewusst. Ich hätte also nicht erst ein Jahr unten durch gehen müssen für die Erkenntnis. Naja…
In diesem Sinne:
Danke, dass es dich gibt und leb los

Dein Steve

Apropos 1…
Den Mondkalender interessierte eine Herz OP keines Wegs mehr am Freitag. Es sollte wohl so sein…

Apropos 2…
Danke an B. Berte, leitender Arzt Kardiologie im Kantonsspital Luzern. Der ist ja der Knaller. Da bist in guten Händen. Der Umgang mit seinen Leuten im OP, sein Sound der über die Boxen kommt, das Lichterspiel, sein Humor, diese ruhige Art… Glaube mir, ich habe ALLES mitbekommen… DANKE

Apropos 3…
Was wurde denn genau gemacht an meinem Herzen?
Es wurde eine Ablation gemacht, wobei eine bestimmte Stelle verödet wird, so dass die Reizleitung des Herzens diesen Weg, welcher meine Rhythmusstörungen verursachte, nicht mehr verwenden kann. Bei mir war dieser Herd in der rechten Herzkammer. Weshalb ich immer müde war, ist hierbei auch schnell erklärt – Was geschieht wohl, wenn ein Herz ununterbrochen voll Gas gibt?…

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Booker Reinberg

    Wow Krasse Sache, Steve ich wünsch dir alles Gute und vor allem beste und vollständige Genesung LG, Booker Reinberg

  2. Judith Bircher

    Wow Steve!!!
    Hab gerade deinen Text gelesen! Mir fehlen die Worte, doch rein intellektuell kann ich sagen: gut geschrieben!!!
    Pass auf dich auf, es braucht dich hier noch (das hast du sicher auch bemerkt!), danke für dein SEIN und deine Offenheit und Ehrlichkeit!
    Und ganz egoistisch gedacht, freue ich mich auf ein Wiedersehen, damit ich dich so richtig „drücken“ kann!
    (Bin gespannt auf dein neues Tatoo!)
    Herzensgrüsse
    Judith

  3. Daniela Blättler

    Huuu das hat mir jetzt aber auch ein paar mal Gänsehaut ausgelöst. Bin froh dass du das gut überstanden hast und hoffe sehr dass du schon bald wieder ganz fit bist.

  4. Baumann Gabi

    Lieber Steve
    Danke für Deine Offenheit. Mir steht morgen auch ein Besuch beim Kardiologen bevor.
    Mein Herz läuft bei der kleinsten Anstrengung Amok und ich werde sehr kurzatmig.
    Deine Selbsthypnose hat mich bis jetzt sehr beruhigt.
    Drücke mir die Daumen.
    Lieber Gruß
    Gabi

  5. Remo Stutzer

    Hey Steve
    Wow, was eine Geschichte. Jetut weiss ich auch warum ich die letzte Tage und Wochen immer wieder an dich gedacht habe und mich gewundert habe wir es dur wohl geht. Scheint so als ob deine Energie und dein unbändiger Drsng zu Kebrn bis nach Australien, an andere Ende der Erde, reichte. Schön, dass du nun auf dem Weg der Besserung bist.

    Pass auf dich auf und schau zu dir. Und falls du mal Wärme oder etwas Abstand brauchst. Meine Türe in Down Under steht jeder Zeit offen.

    Cheers mate

  6. Andrea Sophie Fäh

    Lieber Steve,
    Was für eine Geschichte, krass. War beim lesen mega angespannt. Bin sehr froh, dass es bei dir wieder bergauf geht.

    Als ich davon auf Instagram gelesen habe dachte ich mir:“ wassss??? Der extrem Sportler…“ woher kam das denn? War es alles zu viel für dein Herz?

    Pass bitte gut auf dich auf und nimm dir Zeit, wieder fit und gesund zu werden. Du bist ein Hammer Vorbild. Hoffe wir treffen uns endlich mal in Luzern

    Oh und PS, mondkalender… dran glauben oder nicht, es gibt für alles einen richtigen Zeitpunkt

    Hab Sorg und lieber Gruss aus murten
    Andrea

  7. Doris von Däniken

    Toll geschrieben, authentisch, echt.
    Dein Herz hat dir einen Weg gewiesen, du hast hingehört und bist ihn mutig gegangen.
    Bestimmt machst du vielen damit Mut, auch auf ihr Herz zu hören, es weisst uns so oft den richtigen Weg.
    Gerne hätte ich dir dir unschönen Momente während des Eingriffs erspart, doch war möglicherweise ja auch dies dein Weg

    Von Herzen wünsche ich dir nun, dass dein Herz zur Ruhe kommen kann, wieder richtig fliesst und so neue, leichte Abenteuer kommen dürfen

    Doris

  8. Monika Held

    Lieber Steve,
    Deine Worte haben mich tief berührt…
    Deine Geschichte geht so tief….
    Mondkalender, vorallem bei Eingriffen schaue ich sehr drauf. Und spannend dein system damit in Verbindung war…

    So viel warst du immer für andere da, nun wirst DU an die 1.Stelle gestellt…
    Ganz viel Kraft und Geduld für deine Heilung.

    Du bist so ein wundervoller Mensch ❤

    Von Herzen
    Monika Held

  9. Katja Geiger

    Lieber Steve,
    das klingt furchtbar und hat mich sehr berührt. Danke fürs Teilen und schön, wenn dir das Teilen gut tut.
    Ich finde es auch so spannend, dass sich das physische Herz tatsächlich meldet, wenn es uns ans emotionale Herz geht. Und das schreibe ich, eine Stunde nachdem ich selber ein Gespräch mit jemandem hatte, das mir so auf das Herz ging. Ich bekam bei den Worten der anderen Person richtig Herzrasen und weiche Knie….
    Schön, dass es dir wieder gut geht und vielleicht war es ja sogar mit Grund dafür, an der RUSU teilzunehmen?
    LG Katja

Schreibe einen Kommentar